Neuer Markt – der Absturz

Exponentielle Wachstumsaussichten versprachen nicht nur die Vorstände der Gesellschaften, sondern zum Teil auch die Medien, die mit „heißen“ Börsentipps nicht nur den Aktienkauf ankurbelten, sondern ebenso die eigene Auflage, Einschaltquoten etc.

Die positiven Zukunftsprognosen bzw. hohen Gewinnerwartungen lockten Investoren und schon bald war nahezu jede Aktie, die (wenn auch nur gering) mit New Economy verbunden war, ein Verkaufsschlager. Dabei standen regulär wichtige Informationen wie Finanzkennzahlen bzw. betriebswirtschaftliche Daten nicht immer im Vordergrund, zumal jene in der Gründungsphase eines Unternehmens in der Regel fehlen und nicht selten wurden vorhandene Daten (teilweise extrem) überbewertet oder neue, eigenwillige Bewertungsverfahren herangezogen.

Die glorreichen Anfangsjahre

In den ersten Jahren wurden viele Titel des Neuen Marktes den Prognosen gerecht, die Kurse stiegen manchmal schon am ersten Handelstag in respektable Höhen. Der Nemax 50 mit einem Anfangswert von 1000 Punkten (30.12.1997) verzeichnete am 10. März 2000 knapp 9666 Punkte, der Nemax am selben Tag rund 8546 Punkte.

Bald darauf zeichnete sich allerdings ab, dass andere Börsen von fallenden Kursen betroffen und eine parallele Entwicklung auf dem Neuen Markt (mit zwischenzeitlichen Kurserholungen) nicht von der Hand zu weisen war und darüber hinaus, dass immer mehr Firmen die hochgesteckten Ziele nicht erreichen konnten, zumindest nicht in absehbarer Zeit. Die ersten Listen mit potentiellen Insolvenzunternehmen kamen in Umlauf und wenige Monate später – im September 2000 – meldete Gigabell als erste Gesellschaft des Neuen Marktes die Zahlungsunfähigkeit, nicht wenige Firmen folgten!

Meldungen über fingierte Umsatzzahlen und spätere strafrechtliche bzw. zivilrechtliche Ermittlungen sowie eine rapide zurückgehende Zahl von Börsenneuzugängen und sinkende Kurse, die zu vermehrten Aktienverkäufen führten, taten ihr Übriges. Ende August 2001 sinkt der Nemax 50 erstmalig unter seine Basismarke von 1000 Punkten. Ein weltweiter Kurseinbruch ist nach den Anschlägen des 11. Septembers zu registrieren, Nemax und Nemax 50 sind hiervon nicht ausgenommen.

Neue Regeln helfen nicht

Zwar versucht die Deutsche Börse mit einem neuen Reglement 2001 dem (unaufhaltsamen) Abwärtstrend entgegen zu wirken bzw. diesen zu überdecken – Delisting / Börsenabgang insolventer Firmen respektive Titel unter einem Euro und Börsenwerte unter 20 Millionen, sofern dauerhaft – sieht sich jedoch Klagen der Betroffenen gegenüber und muss im April 2002 die Regelung aussetzen.

Noch Ende 2001 meldet Biodata Information Technology, die bis dato im Auswahlindex Nemax 50 gelistet war, die Insolvenz.

Der immense Kursverfall führte letztendlich dazu, dass der Neue Markt am 5. Juni 2003 – ein halbes Jahr vor dem eigentlichen Termin – geschlossen wird. Der TecDax mit 30 der 35 größten Technologiewerte ersetzt ab März 2003 als Nachfolger den Nemax 50, welcher am 21. März 2003 – dem letzten Handelstag – bei 351 Punkten schließt. Die Weiterberechnung des Nemax 50 erfolgt bis zum Dezember des Jahres 2004. Die im Neuen Markt und Smax gelisteten Unternehmen wechselten zu den neuen Segmenten Prime Standard oder General Standard.

Zahlreiche Investoren waren vom Kursverfall auf dem Neuen Markt betroffen, viele Kleinanleger hofften womöglich nach den ersten negativen Entwicklungen auf Besserung und verpassten so den rechtzeitigen Ausstieg. Außer dem Kapital hat damals ein Großteil der Anleger das Vertrauen in Titel der New Economy verloren und etliche Unternehmen blieben mehrere Monate unterbewertet.